Übungen zur Stärkung der psychischen Kräfte

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Übungen zur Stärkung der psychischen Kräfte

Generelle Empfehlung
Alle sechs Übungen bauen aufeinander auf. Die Fähigkeiten, die man sich mit der ersten erwirbt,erleichtern einem die Übung der zweiten und so fort. Es ist empfehlenswert zunächst mit der ersten zu beginnen, diese einige Wochen zu üben, dann die zweite dazu zunehmen ohne die erste vollkommen zu vernachlässigen, dann die dritte usw.Dafür benötigt man nicht mehr als 10 min. täglich, da nur für die ersten beiden Übungen extra Zeit aufgewendet werden muss. Die Übungen 3 – 5 kann man parallel zum Tagesgeschehen machen. Die sechste Übung ergibt sich aus den vorhergehenden.Um einen Eindruck zu bekommen, kann man jede Übung zunächst einmal ausprobieren. Besonders die ersten beiden Übungen entfalten ihre Wirkung allerdings erst durch regelmäßige Übung. Die Effekte der Übungen 3 – 5 kann man hingegen oft schon nach dem ersten Üben wahrnehmen.Den größten Gewinn hat man, wenn man mit Freude und Neugier übt. Unterbrechungen gehören zum Alltag, darauf kommt es nicht an. Für die Stärkung der psychischen Kräfte ist jede ausgeführte Übung ein Gewinn.

1. Ich denke was ich will. (Gedankenkontrolle)

Worum geht es?

Im Alltag werden die Gedanken durch das Leben bestimmt.Die Gedanken fließen beständig, durch äußere und innere Einflüsse angetrieben. Hier geht es darum zu üben, Gedanken willentlich zu steuern.

Wie macht man es?

Täglich mind. fünf Minuten seine Gedanken auf einen einfachen alltäglichen Gegenstand (Bleistift, Hammer, Papier,Teller etc.) konzentrieren. Alles denken, was sich sinnvollerweise damit verbinden lässt (Aussehen, Funktion, Herstellung,Geschichte etc.). Je weniger einen der Gegenstand anzieht, desto besser, denn für die Übung kommt es auf die Gedankenanstrengung an. Die Gedanken bewusst und willentlich führen, ihnen Richtung und Ziel geben, durch innere Kraft sachgemäß denken – das Gegenteil davon sind Assoziationen.

Wofür ist es gut?

Herrschaft über die Gedanken Erlebnis der eigenen Willenskraft im Denken. Wahrnehmung der ureigenen Konzentrations-Kraft, dadurch wachsen der inneren Sicherheit. Bringt innere Ruhe – das Getrieben Sein durch die Gedanken wird weniger.


2. Ich tue was ich will. (Kontrolle der Handlungen)

Worum geht es?

Gewöhnlich sind die meisten Handlungen die man ausführt, in Wirklichkeit Reaktionen auf das, was von außen auf einen zukommt oder was von innen als Bedürfnis in einem Aufsteigt. (Der Wecker klingelt – ich stehe auf; ich habe Durst – ich trinke etc.) Hier geht es darum Handlungen zu üben, die nur aus freiem Willen entstehen.

Wie macht man es?

Man erfindet eine kleine (unbedeutende) Tätigkeit, die man täglich zur selben Zeit ausführen kann. Wichtig ist hierbei, dass man die Tätigkeit ihren Ursprung allein in der eigenen Initiative hat, und es keinen anderen Grund sie auszuführen gibt, als „ich will das tun“. Hat man eine solche Tätigkeit erfunden, gilt es deren Machbarkeit zu durchdenken. Dann führt man sie täglich zur selben Zeit aus. Erfinden, Durchführbarkeit überprüfen, durchführen.

Wofür ist es gut?

Steigerung der Tatkraft Erlebnis der eigenen (freien) Willenskraft. Erlebnis der eigenen Tat-Kraft, Selbstwirksamkeit. Steigerung der Tatkraft und Motivation zur Tat.


 3. Ich fühle wie ich will. (Gelassenheit, „Ertragsamkeit“)

Worum geht es?

Im alltäglichen Leben wird man oft von den eigenen Gefühlen mitgerissen (Ärger kann sich in die Arbeit mischen und nichts gelingt; Freude kann die Konzentration stören, Trauer kann einen hindern, das zu tun was man beabsichtigt hatte…). Hier geht es darum zu üben, Gefühle zu empfinden, ohne sich von ihnen übermannen zu lassen.

Wie macht man es?

Im Laufe des Tages immer einmal wieder auftauchende Gefühle wahrnehmen, bewusst empfinden, ihnen mit innerer Gelassenheit begegnen, ohne sie jedoch unmittelbar auszudrücken (traurig sein ohne zu weinen, wütend sein ohne zu schreien, fröhlich sein ohne zu lachen etc.). Den Gefühlsausdruck bewusst steuern. Dies kann man zunächst an weniger starken Gefühlen üben, wenn das gelingt an immer stärkeren.

Wofür ist es gut?

Gelassenheit Erlebnis der inneren Gleichgewichts-Kraft sich im Auf und ab der Gefühle im Gleichgewicht zu halten. Stärkung der inneren Gelassenheit. Steigerung der Resilienz. Indem man Bewusstsein in die Gefühle bringt, bildet man seine Wahrnehmungsfähigkeit für Gefühle aus. Entwicklung eines feineren Mitgefühls.


4. Ich suche das Gute in der Welt. (Positivität)

Worum geht es?

An dem, was einem im Leben begegnet, fällt einem zumeist schnell und leicht das Negative ins Auge. Hier geht es darum, das Positive zu suchen (in Menschen, Dingen, Erfahrungen etc.). Damit ist nicht gemeint das Schlechte schön zu reden, sondern in dem Schlechten das Schöne/Gute zu suchen.

Wie macht man es?

Man kann sich z.B. vornehmen, immer dann, wenn man etwas schlecht findet (z.B. die Musik im Radio), nach einer positiven Eigenschaft in dem Schlechten zu suchen (z.B. eine Melodiesequenz). Hat man mit einem Menschen zu tun (z.B. der „bescheuerte“ Autofahrer vor einem, der so kriecht), versucht man sich in seine Lage zu versetzen. Man kann sich fragen: „Wie kommt dieser Andere dazu so zu sein? Dies zu tun? (Vielleicht hat er schlecht geschlafen oder hat große Angst im Verkehr…). Man kann auch danach suchen, welche Vorteile es hat, das man nun langsam fahren muss…

Wofür ist es gut?

Lebensfreude Erweiterung der Wahrnehmung. Entwicklung von Erkenntnis, die frei von Sympathie und Antipathie ist. Dadurch wachsen von Verständnis und Toleranz. Ein Gefühl von Verbundenheit mit der Welt entsteht, dadurch Steigerung der Lebensfreude.


5. Ich bin offen für alles Neue. (Unbefangenheit)

Worum geht es?

Aus Erfahrung sagt man im Alltag oft gerne: „das habe ich ja noch nie gehört, das kann nicht sein“, „das geht nicht, das haben wir noch nie so gemacht“, „da weiß ich genau worauf das hinausläuft“… Auf diese Weise beurteilt man das Neue, was einem gegenwärtig begegnet nur nach dem Alten, was einem schon bekannt ist. Hier geht es darum, Neuem unbefangen und aufgeschlossen zu begegnen. Die Erfahrung soll nicht geschmälert werden, sondern durch die eben so starke Offenheit für Neues bereichert werden.

Wie macht man es?

In allem, was einem begegnet, kann man z.B. das Neue, Unbekannte suchen, gerade in der Routine das finden, was heute anders ist als gestern. Man kann auch am Abend auf den Tag zurückblicken, mit der Frage: „Was war heute neu?“ Kinder lieben Überraschungen, von ihnen kann man sich das kindliche Glück an der Überraschung abgucken. Wenn man die Meinung eines anderen erfährt, kann man versuchen sie sich innerlich ganz zu Eigen zu machen und spaßeshalber seine „alte“ Meinung in Gedanken widerlegen. Man kann das Bekannte auf neue Weise tun (z.B. Abendessen mit Stäbchen). Zu einer Sache kann man versuchen so viele Standpunkte/Meinungen wie möglich einzunehmen.

Wofür ist es gut?

Lebensvertrauen Ausbau der Lernfähigkeit und Entwicklungsfähigkeit, Förderung der Kreativität. Steigerung des Lebensvertrauens.


6. Ich bin im Gleichgewicht. (Harmonisierung)

Worum geht es?

Die psychischen Kräfte ins Gleichgewicht bringen. Alle fünf Übungen gleich gut „können“.

Wie macht man es?

Bildet sich durch die Übung an den anderen fünf Fähigkeiten ganz von selbst aus. Was gleichzeitig bedeutet, dass diese Übung nicht vor den fünf anderen gemacht werden kann. Wenn man Erfahrungen mit allen fünf hat, kann man sich darin üben mit liebevollem Blick auf sich selbst zu schauen und wahrzunehmen, welche der fünf Fähigkeiten man stärker, welche man schwächer hat. Nun kann man darauf achten, die Kräfte ins Gleichgewicht zu bringen, indem man schwächere stärker übt. Weiterhin kann man die Übungen variieren, ausweiten und vertiefen, sodass man dem Ziel des inneren Gleichgewichts immer näher kommt.

Wofür ist es gut?

Inneres Gleichgewicht, Ausdauer Innere Festigkeit und Sicherheit im Auf-und-ab des Lebens. „Man wird namentlich bemerken, dass etwa vorhandene Unzufriedenheiten mit Erscheinungen und Wesen der Welt vollständig verschwinden. Eine allen Erlebnissen versöhnliche Stimmung bemächtigt sich der Seele, die keinesfalls Gleichgültigkeit ist, sondern im Gegenteil erst befähigt, tatsächlich bessernd und fortschrittlich in der Welt zu arbeiten. Ein ruhiges Verständnis der Dinge eröffnet sich, die früher der Seele völlig verschlossen waren.“ (Lit.1. S.103)


Quellen

  • Rudolf Steiner: „Die Nebenübungen. Sechs Schritte zur Selbsterziehung.“ Ausgewählt und herausgegeben von Ateş Baydur. ISBN 978-3-7274-5295-6.
  • Michael Lipson: „Stairway of Surprise. Six steps to a creative life.“ ISBN 0-88010-507-0

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